wiltrud katherina hackl


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Kürzlich dachte ich mir: Linz kann ja so schön sein. Bei diesem Gedanken saß ich auf dem Beifahrersitz eines „SUVs“ – das heißt Sport Utility Van – und wurde des nächtens auf Manhattan umherkutschiert. Meine immer leiser werdenden Bemerkungen darüber, dass wir hier vor fünf Minuten auch schon waren und wir bei dieser oder jener…

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Aus der Ferne / New York

Kürzlich dachte ich mir: Linz kann ja so schön sein. Bei diesem Gedanken saß ich auf dem Beifahrersitz eines „SUVs“ – das heißt Sport Utility Van – und wurde des nächtens auf Manhattan umherkutschiert. Meine immer leiser werdenden Bemerkungen darüber, dass wir hier vor fünf Minuten auch schon waren und wir bei dieser oder jener Ecke vielleicht mal nach links anstatt schon wieder nach
rechts abbiegen könnten, wurden mit einem immer schroffer werdenden
„Ich kenn mich hier aus, ich wollte dir nur mal Soho zeigen“ quittiert. Dass wir uns dabei ständig zwischen Chinatown und Little Italy hin und her bewegten – das konnte ich einerseits an den chinesischen Schriftzeichen und andererseits an den italienisch gedeckten Tischchen, die sich ganz gerne zwischen überquellenden Mülltonnen und Limousinen mit dunklen Fensterscheiben, an deren Türen
dicke Männer im Anzug lehnen, platzieren, erkennen, dieses zu bemerken also unterließ ich. Linz also, dachte ich mir, hat doch unbestreitbar seine Vorzüge. Klein, überschaubar und unzumutbar für alle, die nicht hier leben, das erspart einem immer das Erklären nach dem Warum. „Ich fahr morgen aufs Land“, sagte ich mal zu einem
Freund am Telefon, ein Wiener, der mich in Linz besuchen wollte. „Warum“, fragte er und lachte dabei, „du lebst auf dem Land“.
Ich hab ihn schon lange nicht mehr gesehen.
Linz ist schön, besonders, wenn man oft genug wegfährt. Weder muss man in Linz auf der Suche nach einem Hotel in einem „SUV“ (das spricht sich übrigens eeessjuuwii) umherkutschiert werden noch verläuft man sich auf dem Flughafen,
dafür auf dem neuen Bahnhof, und es gibt so viele Dinge, die sich nicht ändern, egal
wo und wie lange du weg warst. Wo andere Gesellschaften sich eine oberflächlich-professionelle Freundlichkeit zugelegt haben, pflegt man hier die tiefgründige, professionelle Unfreundlichkeit. Während anderswo Künstler und Künstlerinnen in ihrer spärlichen Freizeit zusammenkommen, um freundlich und nüchtern über Ideen und Projekte zu sprechen, die sie dann auch in Angriff nehmen, sitzt man hier nächtelang in ein und dem selben Lokal, betrinkt sich mit schlechtem Wein und redet Unsinn, ist aber, dank des schlechten Weines der Überzeugung, man sei der Mittelpunkt nicht nur des linken Donauufers.
Mitten in New York und mitten in der Nacht erreicht mich ein Anruf. Man teilt mir mit, dass der künstlerische Leiter für die Europäische Kulturhauptstadt 2009 gefunden wurde. Schön, denke ich mir, das ging ja schnell, drehe mich auf die Seite und schlafe wieder ein.
Später träume ich dann davon, wie ein sympathisch wirkender Mann, der aus dem Land, in dem die professionelle Freundlichkeit miterfunden wurde, stammt, in der großen Eingangshalle eines großen, mit einer gläsernen Außenhülle versehenen Gebäudes steht. Die Wände dieses Raums, in dem er sich ganz alleine befindet, sind über und über mit bunten Postkarten versehen, der Raum weitet sich mit jeder Bewegung, die er macht und jede Tür entfernt sich mit jedem Schritt, den er darauf zumacht. Hinter den Türen aber stehen Menschen, die verängstigt den Tatendrang dieses Mannes beäugen.
Vom linken Donauufer hört man Rufe: Mehr Titel mit Naheverhältnis!
Rechts davon ertönen Rufe wie: Meine Parkbank ist kein Labor, dafür mit Zukunft!
Schließlich erhellt sich der Raum in grellem Rosa, der Mann lässt sich in einem riesigen, umgekippten Schuh nieder, in dem er schließlich erschöpft einschläft. „Mach’s einfach“, haucht ihm eine Fee zu, die an ihm vorbeischwebt, bevor sie sich den Lippenstift nachzieht, „aber denk um Himmels Willen an die Quote!“
Vom Angstschweiß durchnässt wache ich auf, ziehe mich an und blicke aus meinem Hotelfenster. Draußen ist es heiß, stickig und laut. Die Menschen auf den Strassen scheinen alle genau zu wissen, wohin sie wollen. Unzumutbar, diese Stadt, denke ich und suche mit meinem besten Freund, dem New York-Kenner mit den schlechten
Ortskenntnissen zwei Stunden lang nach einem Frühstückslokal, in dem man rauchen darf. „In solchen Momenten fehlt einem Linz direkt“, sagt er und ich lächle.

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