wiltrud katherina hackl


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Es ist beschämend, menschenunwürdig und es wird einem schlichtweg kotzübel, wenn man erlebt, wie aktuell europaweit darum gefeilscht wird, wer bzw. welches Land wie wenigen Flüchtlingen helfen ‚muss‘. Unterstützen, Helfen, Leben retten – Handlungen also, die Menschen gemeinhin als mensch erkennbar werden lassen – haben sich zu etwas entwickelt, das als belastend, lästig und verhandelbar…

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Europa im Mai 2015

Es ist beschämend, menschenunwürdig und es wird einem schlichtweg kotzübel, wenn man erlebt, wie aktuell europaweit darum gefeilscht wird, wer bzw. welches Land wie wenigen Flüchtlingen helfen ‚muss‘. Unterstützen, Helfen, Leben retten – Handlungen also, die Menschen gemeinhin als mensch erkennbar werden lassen – haben sich zu etwas entwickelt, das als belastend, lästig und verhandelbar empfunden wird. Etwas, von dem Europa meint es von sich wegschieben zu können, sich abgrenzen zu können: Menschen ertrinken also vor den Küsten Europas, Boote mit Geretteten werden ‚zurück’geschickt, noch ehe die Geflohenen den rettenden Boden betreten dürfen, Boote, mit denen potentiell Menschen nach Europa gebracht werden könnten, sollen noch an der Küste Libyens etwa zerstört werden. Eine Strategie des Wegschiebens von Identitäten, von Lebensläufen, von Flüchtlingen, die (ich finde es grauenvoll, dies immer wieder betonen zu müssen) nicht weniger Mensch sind als wir selbst, die sich nicht mehr nur auf Europa beschränkt – so weigern sich etwa auch Länder wie Malaysia, Thailand und Indonesien, rund 7000 Bootsflüchtlinge aufzunehmen, die in der Meerenge von Malakka treiben.

Wer sich abgrenzt, läuft Gefahr sich vorzumachen, nicht mehr hin sehen zu müssen, die Gleichzeitigkeit von Lebensläufen nicht mehr anerkennen zu müssen. In Österreich werden aktuell Zeltstädte errichtet, auf Fußballplätzen, hinter Zäunen. Die Botschaft, die durch solche Bilder vermittelt wird, ist klar: ‚Diese da‘ gehören nicht zu uns, also brauchen sie nicht so zu leben wie wir, wir lassen sie nicht in ‚unsere‘ leerstehenden Häuser. Als möchte das offizielle Österreich sich einmal mehr und besonders deutlich vom Grauen der Welt und demzufolge vom eigenen Grauen möglichst sichtbar abgrenzen – was angesichts der tausenden Toten, die aktuell auf ihrer Flucht sterben und um die wir wissen, die wir also zulassen, eine möglicherweise nachvollziehbare, politisch allerdings denkbar schlechte Strategie ist.

Mir wird übel, wenn ich an die kommenden TV Berichte denke, mit denen sicherlich in ihren Absichten heere und unverdächtige Reporter_innen demnächst in langsamen Bildern und Nahaufnahmen über Flüchtlingsschicksale in den Zeltstädten berichten. Wenn sie so berichten, als hätte die eine Welt mit der anderen nichts zu tun. Ich höre schon die traurigen Musiken und sehe Nahaufnahmen, mit denen nicht berichtet, sondern inszeniert wird. Mediale Strategien von Abgrenzung, die weniger Empathie erzeugen als diese verhindern. Die eine unerkannte, nicht objektivierte und dadurch unannehmbare Gegenwart darstellen, eine, die weit weg zu sein scheint, sich in Zeitlupe bewegt. Das tut Gegenwart aber nicht. So schmerzvoll es sein mag, jede Geschichte, jeder Lebenslauf eines Flüchtlings könnte auch der unsrige sein. Die Gegenwart von Flüchtlingen bewegt sich ebenso schnell wie die unsrige.

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