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Die Salzkammergut Festwochen Gmunden widmen dem Dramatiker und Drehbuchautor Felix Mitterer den diesjährigen Literaturschwerpunkt. Das Interview erschien gekürzt im Standard, Printausgabe 16.7.2014 Ein Lokalpolitiker hat bei der Eröffnung der Salzkammergut Festwochen ihre Ehrlichkeit hervorgehoben. Ist ihre Ehrlichkeit so besonders? Felix Mitterer: Ich habe dazu keine Meinung, wie andere mich sehen. Ich bin halt wie ich…

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Und dann kriecht man in einen Menschen hinein – Gespräch mit Felix Mitterer

Die Salzkammergut Festwochen Gmunden widmen dem Dramatiker und Drehbuchautor Felix Mitterer den diesjährigen Literaturschwerpunkt. Das Interview erschien gekürzt im Standard, Printausgabe 16.7.2014

Ein Lokalpolitiker hat bei der Eröffnung der Salzkammergut Festwochen ihre Ehrlichkeit hervorgehoben. Ist ihre Ehrlichkeit so besonders?

Felix Mitterer: Ich habe dazu keine Meinung, wie andere mich sehen. Ich bin halt wie ich bin. Völlig unabhängig von dem betreffenden Politiker aber muss ich sagen: Diese Ehrlichkeit, die kann ich mir ja leisten. Und dass sich Politiker das nicht leisten können, ist ganz entsetzlich.

Sie haben 15 Jahren in Irland gelebt. Wie war Österreich denn aus der Entfernung betrachtet?

Felix Mitterer: Als ich wegging, war ich sehr müde. Ständig haben Journalisten angerufen, ich solle doch bitte dazu und dazu etwas sagen. Ich hab aber nicht sofort zu allem eine Meinung, und ich bin auch nicht so wichtig. Mir war das dann irgendwann zuwider. Ich bin also nach Irland gegangen, um Österreich hinter mir zu lassen und habe versucht mich dort einzuleben. Habe dort die Bezirkszeitungen gelesen, um zu wissen was los ist. Irland erlebte damals einen Wirtschaftsaufschwung, die Schlagzeilen lauteten: Wir werden jetzt bald so reich sein wie die Deutschen. Und plötzlich gab es Korruption, Bestechung… es war alles genauso wie anderswo.

Banal ausgedrückt: anderswo ist es auch nicht besser?

Felix Mitterer: Ja, und überall muss man natürlich dagegen ankämpfen.

Wer hat denn für den diesjährigen Literaturschwerpunkt die Auswahl besorgt?

Felix Mitterer: Ich. Und ich fand, nachdem ich Dramatiker und Drehbuchautor bin, sollte man auch Theater sehen und Filme, von denen ich meine, dass sie wichtig für meinen Weg sind. Ich habe etwa Peter Mitterrutzner gebeten, er spielt seit 20 Jahren „Sibirien“. Mitterrutzner wird auch mit Julia Gschnitzer „Mein Ungeheuer“ lesen – meine einzige autobiographische Arbeit. Robert Dornhelm kommt ebenfalls, wir zeigen den Film „Requiem für Dominic“, diese ungeheure Geschichte über den vermeintlichen ‚Schlächter von Temesvar‘.

Gezeigt wird auch „Der Patriot“. Ein Stück, in dem Sie die Hauptfigur, Franz Fuchs und die von ihm verübten Attentate in direkten Bezug zur schwarz-blauen Regierungsbildung setzen. Da heißt es sinngemäß: ich war ein Schläfer, ihr Wähler habt mich erst aufgeweckt.

Felix Mitterer: Ich muss sagen, Franz Fuchs war mir sowas von zuwider. Seine bajuwarische Befreiungsarmee – allein das Wort ‚bajuwarisch‘ hab ich nicht ausgehalten. Und dann kam Anita Ammersfeld vom Stadttheater in der Walfischgasse und fragte, ob ich da nicht was schreiben möchte. ‚Wir sehen die Wahlplakate und hören die Sprüche‘, meinte sie, da müsse man doch etwas schreiben. Ich hatte das Glück, mit dem Gerichtspsychiater Reinhard Haller sprechen zu können, demgegenüber sich Franz Fuchs ja als einzigem geöffnet hat. Und dann kriecht man irgendwie in einen Menschen hinein – und ich dachte nur noch: du armes Schwein du, du bist so ein armes Schwein, so hochbegabt und so fehlgeleitet. Das war die eine Seite, die andere aber war, dass die Politik sich so leicht von ihm verabschiedet hat, als er sich dann umgebracht hat. So, als sei er nur ein Einzelner gewesen, der ja niemanden etwas angehe. Darum war mir wichtig, den Zusammenhang herzustellen.

Gab es damals Reaktionen auf das Stück von Seiten der Politik?

Felix Mitterer: Nein, das Stück war auch ganz schlecht besucht und ist nicht gut angekommen. Außer in Villach (Neue Bühne Villach, 2009, Anm. WH): Heinz Weixelbraun hat Franz Fuchs gespielt, die Premiere war am Faschingsdienstag, das ‚LeiLei‘ hat man bis in den Bühnenraum gehört. Das Theater war bummvoll, und ich dachte, so muss Theater sein.

Wie wichtig sind denn diese realen Hintergründe für ihre Arbeit?

Felix Mitterer: Manchmal hab ich das Gefühl, ich hätte vielleicht zu wenig Phantasie und ich müsse deshalb alles der Wirklichkeit entnehmen, aber das stimmt nicht. Ich hab schon als Kind Krimis geschrieben und Science Fiction Geschichten, weil ich ja nur die Schundheftln der Knechte zum Lesen hatte. Ich lerne einfach gerne aus der Geschichte, kaum ein anderer Autor hat sich so viel mit der Geschichte auseinandergesetzt. Ich hab glaub ich alle historischen Tiroler Figuren bearbeitet. Es ist spannend und auch erschreckend, wenn man sieht, wie sich Geschichte ständig wiederholt. Nicht zu fassen eigentlich, wenn man sieht, dass seit dem 14. Jahrhundert immer die Juden dran waren. Die sind beraubt und verfolgt worden, quer durch die Jahrhunderte. Und als Mensch, der 1948 geboren ist, lässt mich auch die Nazizeit und wie damit umgegangen wird, nicht mehr los. Die wird mich nie loslassen.

Für einen Abend spielen Sie in Gmunden auch noch einmal Rotpeter, jenen Affen aus Franz Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“. In ihrer Bearbeitung setzen sie das 1917 uraufgeführte Stück ebenfalls in unmittelbare Nähe zum Nationalsozialismus.

Felix Mitterer: Ja, der Affe hält im Käfig die Zeitung hoch, so erfährt das Publikum von der zeitlichen Verortung am 31.1.1933, jener Tag, an dem Hitler zum Reichskanzler berufen wurde. Der Affe hat also überhaupt keine Chance, von vornherein nicht. Und er weiß das. Er kann tun was er will, er wird getötet werden.

Was wurde eigentlich aus ihren Plänen, die „Russensaga“ zu schreiben?

Felix Mitterer: Das ist mir ja schon ein wenig peinlich. Ich hab das angekündigt, und es kommt immer was dazwischen. Etwa die Übersiedlung von Irland zurück nach Österreich, die war doch schwieriger als ich dachte, auch seelisch. Einerseits wollte ich ja heim, kaum war ich in Österreich, bekam ich Heimweh nach Irland. Und dann gabs andere Gründe für die Verzögerung. Eigentlich hab ich ja immer gesagt, es gibt keine Fortsetzung der Piefke-Saga, aber dann hab ich miterlebt, wie die Russen nach Tirol kamen und ich wusste, ich muss da etwas machen. Das ist ein Stück Realsatire. Außerdem ist es ein großes Geschenk für einen Autor, wenn er zwanzig Jahre danach mit denselben Schauspielern arbeiten kann: Tobias Moretti, Gregor Bloéb, Dietrich Mattausch, der damals Karl-Friedrich Sattmann spielte – die sind alle da und warten drauf. Aber bislang kam immer etwas dazwischen – Jägerstätter mit Gregor Bloéb etwa, für ihn hab ich auch den Boxer geschrieben – die Geschichte über einen Sinti-Boxer (Johann „Rukeli“ Trollmann, der einer Sinti-Familie entstammt und der sich 1933 den Titel Deutscher Meister erkämpfte. Der aber wurde ihm trotz massiver Publikums-Proteste nicht verliehen, UA 2015, Theater in der Josefstadt, Anm. WH), den kann nur ein Schauspieler wie Gregor Bloéb spielen, der hat die Körperlichkeit dazu.

Julia Gschnitzer und Peter Mitterrutzner lesen in Gmunden noch einmal „Ein Ungeheuer“, ein Stück, von dem sie selbst sagen, es sei das einzig autobiographische. In der Frauenfigur verschmelzen darin ihre beiden Mütter zu einer Person.

Felix Mitterer: Die sind wirklich verschmolzen, meine leibliche und die Adoptivmutter. Es ist zum Großteil die Geschichte meiner leiblichen Mutter. Auf die Frage, wer mein Vater war, hat sie immer gesagt „A Jugoschlav“, ich hab mühsam recherchiert, dass er eigentlich ein ukrainischer Flüchtling war. Er war ein Jahr nach meiner Geburt wieder weg. Und meine leibliche Mutter hat dann mit einem Mann zusammengelebt, der halt lieber auf der Ofenbank gelegen ist und so ähnlich war wie der, der im Stück dann vorkommt. Und sie war…. sie war unglaublich… sie hat nie ihren Humor verloren. Sie hat mit Neunzig noch mit jungen Männern geflirtet. Meine Adoptivmutter – die waren ja die besten Freundinnen – war immer eifersüchtig auf sie, weil meine Adoptivmutter sich nie erlaubt hätte, was meine leiblich Mutter sich erlaubt hat. Ich hab meine leibliche Mutter ja immer wieder gesehen, die war ja nicht weg, wir haben sie besucht und so. Ich weiß auch nicht wie das zustande kam – aber die beiden sind in meiner Erinnerung irgendwann verschmolzen. Meine Adoptivmutter hat so unglaublich viel mitmachen müssen, sie wurde letztendlich ganz verbittert, während meine leibliche Mutter keineswegs verbittert wurde. Und weil hier in Gmunden das Thema zweimalig! einmalig! ist: das hat durchaus eine Bedeutung für mich. Meine Zwillingsschwester ist tatsächlich bei der Geburt gestorben, und sie wurde tatsächlich herumgetragen und bewundert dafür, dass sie so ein hübsches totes Kind war. Ich wusste immer davon, und sie hat mir immer entsetzlich gefehlt. Ich hab mir immer vorgestellt, eines Tages fahr ich mit dem Zug, und gegenüber sitzt ein Mädchen. Wir verlieben uns ineinander und heiraten und kommen drauf, dass wir Bruder und Schwester sind. Und leben trotzdem glücklich miteinander.

Literaturschwerpunkt Felix Mitterer
24. – 27.7.2014
Salzkammergut Festwochen Gmunden (13. 7. – 24.8.2014)
www.festwochen-gmunden.at

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