Zur Ausstellung Kunst und Komik im Lentos Kunstmueseum / Linz
Noch am Eröffnungsabend wurde die eine Bananenschale wieder entfernt: ein Besucher entsorgte das im Eingangsbereich platzierte Stück, das ein anderer Besucher als Statement oder kecke Falle ausgelegt hatte. Die andere, die offizielle Ausstellungs-Bananenschale hingegen muss täglich erneuert werden: sie legt sich als Teil der Arbeit des kubanischen Künstlers Wilfredo Prieto wie ein Slapstick-Topping über ein Stück Seife, das auf einem Fettfleck liegt. Ein Witz quasi dreimal erzählt. Und weil eine braune Schale zu wenig an diesen Witz erinnert, muss nun 12 Wochen lang ein Museumsmitarbeiter seine Jausenbananenschale opfern.
Mit dem Wissen, dass die auf dem Boden liegende Schale als Erwartung am schönsten ist, wenn sie als Witz nicht fertig erzählt wird, hat schon Buster Keaton für die eigentlichen Lacher gesorgt: In „The High Sign“, einem 33sekündigen Film aus dem Jahr 1921, der in der Schau gezeigt wird, rutscht er auf einer weggeworfenen Bananenschale eben nicht aus – der eigentliche Witz sind nicht eingelöste Erwartungshaltungen.
Und nicht zuletzt steht Slapstick in all seinem Hang zu kindlicher und vordergründig tolpatschiger Zerstörungslust für Hoffnung auf Neubeginn, auch wenn alles in Trümmern liegt. Darauf spielt Peter Lands Arbeit „Springtime“ an: ein Haufen Ziegelsteine und ein Arm, der herausgestreckt ist.
In dieser Ausstellung, so Direktorin Stella Rollig, trete zeitgenössische Kunst in Dialog mit dem Genre Film aus einer anderen Ära. Ein auf den ersten Blick ungleiches Paar, weswegen die Schau auch zeigen soll, was Künstler an den frühen Slapstick-Filmen interessieren könnte. Ob die anarchische aber perfekt ausgeführte filmische Umsetzung alltäglicher Szenen und ihrer irrwitzigen Wendungen, eine spezielle Bildsprache oder die Lust an Wiederholung – die Künstler in dieser Ausstellung nehmen Slapstick als Inspiration oder zitieren direkt: In seinem Film „Clockshower“ (1973) nimmt Gordon Matta-Clark eine Dusche in den Zeigern einer Wolkenkratzer-Uhr und spielt damit an Harold Lloyds Szene in „Safety Last!“ (1923) an, in der der Komiker an den Zeigern einer solchen Uhr baumelt. Auch Steve McQueen bedient sich der ikonenhaften Szene eines Klassikers: in „Steamboat Bill Jr.“ (1928) stürzt eine Hausfassade auf Buster Keaton, der dabei gleichermaßen ungerührt wie unverletzt bleibt. In McQueens „Deadpan“ – in Anspielung auf Keatons stets eher leeren Gesichtsausdruck – paraphrasiert der Künstler diese Szene.
Der Tortenschlacht als Begriff, der neben Bananenschale größtmögliche Slapstick-Erwartungen auslöst, ist ebenso ein Kapitel gewidmet: In „The Battle of the Century“ (1927) von Stan Laurel und Oliver Hardy findet sie ihre Perfektion, sodass die dem Film gegenübergestellte Inszenierung einer Tortenschlacht von Alexej Koschkarow aus dem Jahr 2003 wie ein matter Abklatsch wirkt.
„Am schönsten ist das Gleichgewicht, kurz bevor’s zusammenbricht“ – das Zitat des Künstlerduos Fischli/Weiss verweist auf einen weiteren Aspekt von Slapstick: hier werde stets auch Scheitern zelebriert, so Lentos-Direktorin Stella Rollig. Carola Dertnig scheitert in ihrer Videoarbeit samt Kinderwagen und Fahrrad im öffentlichen Raum, Timm Ullrichs lässt einen ganzen Stuhl in seiner Funktion scheitern und klappt seine „Hinterbeine“ um. Am schönsten aber scheitert immer noch Charlie Chaplin an der Geschwindigkeit des Fließbandes in „Modern Times“. Dem Filmausschnitt zur Seite gestellt ist Fischli/Weiss‘ „Lauf der Dinge“ – jene Abwandlung einer Rube-Goldberg-Maschine, in der Objekt um Objekt in einer Kettenreaktion ineinander fällt. Auch und gerade den Dingen wohnt schließlich ein unleugbarer Hang zum Slapstick inne.
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