wiltrud katherina hackl


kunst | kultur | sprache | wasserfrauen

(..) gewichten die Bilder die Themen Öffentlichkeit, Privatheit, Familie – eine Fragestellung, die das Selbstverständnis einer Künstlerin ein Arbeitsleben lang prägt, eine Frage, die weniger harmlos und unspektakulär ist, als sie vorgibt, eine Frage, die vor allem in einer Künstlerinnenbiographie eine Rolle spielt. (…)

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privat | Veronika Merl

Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „privat“ mit Arbeiten von Veronika Merl, Kunstcafé Jindrak, Linz, 9.1.2020

„Privat“ – so wird die Ausstellung betitelt – ein Wort mit langer Tradition in der Kunstgeschichte. Gleichzeitig ein Wort, das zunehmend anachronistisch, rar, obsolet erscheint im Alltag, wenn wir daran denken, wie bereitwillig und freiwillig wir Privatheit aufgeben, auf unser Recht auf private Bilder verzichten.

Wie es in unseren Wohnungen aussieht, was wir essen, womit unsere Kinder spielen, wie wir Weihnachten feiern – wir füttern das Netz mit Mitteilungen über unser Leben. In der Kunst ist dieses bereitwillige Zeigen privater Umstände nichts Neues. Ohne Hang zur Selbstdarstellung wären weder Selbstportraits denkbar noch jene Werke, die wir bis heute als wegweisend und inspirierend empfinden: Tagebuchaufzeichnungen, Darstellungen und Beschreibungen eigenen Leids oder der Freude, Beobachtungen und Ausdruck des eigenen Verfalls – Künstler und Künstlerinnen waren und sind immer diejenigen, die in ihrem Innersten herumstochern und das Gefundene einer schonungslosen künstlerischen Bearbeitung aussetzen. Das waren und sind längst nicht immer die dramatischen, intimen, selbstzerstörerischen Gesten, sondern häufig jene privaten Motive, über die wir alles zu wissen glauben: Veronika Merl malt sehr bewusst Inhalte, die uns im ersten Moment an jene bekannten Bilder, die sich im Netz finden, erinnern.

Eine junge Frau sitzt an einem Tisch und liest, eine andere scheint auf etwas zu warten, eine Frau und ein Kind spazieren im Schnee, eine junge Frau hievt sich an einem Ast hoch – wenn wir die Bilder beschreiben würden, wären sie wenig mehr als tautologische Kommentare zu vielen bereits gesehenen Bildern. Sie wären so betrachtet sehr schlechte Antworten auf noch schlechtere Fragen. Nun aber nähert sich eine Künstlerin wie Veronika Merl im Wissen um die inflationäre Verwendung dieser Inhalte und vor allem des Begriffs „Privatheit“ dieser Motive an und vollführt das, wofür ich sie und ihre Arbeiten so schätze: Veronika Merl schafft einerseits eine Atmosphäre, von der man sich sofort angezogen und verstanden fühlt. Ihre Bilder fungieren andererseits wie Bühnen für Menschen, Objekte, Situationen, Landschaften. Ihr geht es eben genau nicht um das Abbilden und Wiederholen tagtäglicher, hundertmal gesehener Motive, die sich in ergreifender Irrelevanz auflösen, sondern vielmehr um das Schaffen eines Bühnenraums, in dem sich diese Motive, Symbole, Personen und Gesten zueinander in Bezug setzen lassen, aber auch eines gesellschaftspolitischen Raums, in dem Themen wie Privatheit und Öffentlichkeit verhandelt werden können. Denken Sie etwa an die erst kürzlich in Linz ausgestellten großflächigen graphischen Arbeiten, die als Serie mit dem Titel „Wald möbliert“ zu sehen waren. Der Wald einerseits als Inbegriff einer romantischen, idealisierten Welt wird durch diese Möbel zum Sehnsuchts- und Wohnort, andererseits durch diese künstlichen Eingriffe plötzlich mitsamt seiner Verwundbarkeit und Verletztheit erzählt. Oder an die Serie Reflexionen, mit denen der Künstlerin gelingt, die Betrachtenden zu „aktivieren“.

Ebenso können wir hier diese Bilder lesen und entdecken: eine heile, private, warme Welt und Atmosphäre, die Merl so meisterinnenhaft auch auf der rein technischen Ebene zu erzeugen vermag, wird zum Raum für das Verhandeln und Inszenieren von Privatheit, Familie, Intimität, Rückzug, Teilhabe.  In Veronika Merls Bildern stülpt sich nicht etwa Privatheit ungefragt nach außen. Im Gegenteil gewichten die Bilder die Themen Öffentlichkeit und Privatheit bzw. Familie – eine Fragestellung, die das Selbstverständnis einer Künstlerin ein Arbeitsleben lang prägt, eine Frage, die weniger harmlos und unspektakulär ist, als es scheint, eine Frage, die vor allem in einer Künstlerinnenbiographie eine Rolle spielt. Insofern sind die Bilder also einerseits auf eine sehr unspektakuläre Weise intim, privat und bescheiden – andererseits sind sie natürlich aussagekräftig, beziehen Position, beteiligen sie sich.

Ein schöner Kunstgriff, dass die Bilder ausgerechnet hier in diesem Kunstcafé zu sehen sind, auch das Café ist nicht zuletzt ein Ort der Inszenierung von Privatheit, ein transitorischer Raum zwischen Rückzug und Öffentlichkeit, eine Form der Bühne, des gleichzeitigen Beobachtens und beobachtet Werdens. (und der täglichen Neuinszenierung – immerhin werden in einem Caféhaus ja täglich sowohl Schauspieler als auch Publikum ausgetauscht) jedenfalls ein Ort, an dem keine schlechten Antworten gegebenen werden und gegeben werden sollen, sondern viele gute Fragen offen bleiben und Möglichkeiten für eine eigene wechselnde Inszenierung, eine eigene tägliche Verortung mal als soziales, mal als öffentliches oder auch als ganz privates Wesen, gegeben werden.

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