“Iss mich!”: Paradoxien des Begehrens im Wasserfrauenmotiv
Wasserfrauen und Begehren – das Begriffspaar hat etwas Verführerisches. Etwas, worauf viele mit einem bestätigenden Nicken reagieren – achja, die Nixe will Mensch sein, sie will dazu gehören, begehrt das Begehren eines Mannes, der ihr ewig treu bleiben muss.
Seit 1989 wird Hans Christian Andersens kleine Meerjungfrau, die “Arielle” als Vorlage dient, nicht mehr Meerschaum, sondern errichtet sich als Subjekt, geht bzw. schwimmt durch den Spiegel. Den Begriff des Begehrens entlang von Jaques Lacans Subjekttheorie mit Fokus auf die Rolle des Mangels und vor allem durch den Filter kritischer feministischer Auseinandersetzung von u.a. Luce Irigaray und Christina von Braun lässt sich am Beispiel der Wasserfrau fast zu gut besprechen. Mit dem Eintritt in eine symbolische Ordnung empfindet das Subjekt nach Lacan einen Mangel, aus dem sich ein unstillbares Begehren nach dem Empfinden und der Welt vor dem Eintritt in diese symbolische Ordnung entwickelt.
Was wäre im Fall der Wasserfrau die Welt vor der symbolischen Ordnung? Von welchem Begehren sprechen wir? Wo verortet es sich? Kann es die Position wechseln, kann es verschoben werden? Wem nutzt es, wenn eine weiblich imaginierte Phantasmagorie Subjekt und damit vermenschlicht wird?
Am Beispiel des Motivkomplexes Undine und der kleinen Meerjungfrau wird der Begehrensbegriff verschoben, wird nach dem eingeschriebenen Mangel gesucht und werden patriarchale Strategien der Diminuierung weiblich imaginierter Mythen decouvriert. Am Ende heisst es: DANKE, Disney, denn mit dem „Happy End“ in Arielle wird das Begehren im Wasserfrauenmotiv abgeschafft und können sich Undine, Melusine und alle anderen Nixen wieder ihrer Herkunft aus Ganzheit und Monstrosität erinnern.
Der Vortrag war Teil der Ringvorlesung „Intersektionale Perspektiven auf Gender & Gefühl“, organisisert von mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien gemeinsam mit der Kunsthochschule Mainz, dem Studienprogramm Q+ an der JGU Mainz, der Universität Bremen und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

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