Ja, es braucht jetzt wahrscheinlich eher weniger Menschen, die sich im Nachhinein mit guten Ratschlägen anstellen und sie unaufgefordert verteilen. Was es aber noch weniger braucht, sind Menschen, deren Häme nicht zu überhören und nicht mehr zu ignorieren ist, die jetzt bereitwillig nachtreten, obgleich sie in „guten Zeiten“ keine Scheu hatten, sich als SPÖ-nah zu inszenieren, ihre Arbeiter*kindherkunft zu betonen oder die Internationale als Klingelton am Handy zu installieren. Weshalb ich es wage, mit ein paar Worten aus „umarmender Distanz“ auf die Äußerungen und Handlungen der letzten Stunden innerhalb der Sozialdemokratie zu reagieren.
Seit über dreißig Jahren begegne ich phantastischen Menschen, die der SPÖ nahestehen, Parteimitglied sind oder ihr in beruflichem Kontext verbunden sind – ob mit 18 als Redaktionsassistentin in der AZ (die ich heute noch fast täglich vermisse), später als Mitarbeiterin der VHS Stöbergasse oder die letzten fünf Jahre als Geschäftsführerin der oö. Gesellschaft für Kulturpolitik. Überall begegnete ich klugen, linken Menschen, wurde mit der sozialdemokratischen Geschichte vertraut gemacht, vermittelte sich ein Narrativ, das in den meisten Fällen als eindeutig positiv und notwendig für Österreich anzusehen war. Eine Erzählung, die ich in den letzten Jahren als Programmverantwortliche der gfk oö versucht habe, aus kulturpolitischer Perspektive zu ergänzen bzw. zu befeuern. Und wieder traf ich dabei auf Verbündete, auf weitsichtige, kluge, überlegte und dennoch politisch leidenschaftlich agierende Menschen, die bereitwillig mit mir als parteipolitischem Alien zusammenarbeiteten, ihre Skepsis mir gegenüber überwanden und mich unterstützten. Aus allen Funktionsbereichen, Organisationen und Abteilungen gab es – wenigstens nach fünf Jahren – innerhalb der SPÖ OÖ die Erkenntnis, dass sozialdemokratisch geprägte Kultur und Kulturpolitik nicht nur notwendig sind, sondern mit Erzählungen, mit Inhalten und mit Mut programmiert und gelebt werden müssen. Weg von der reinen Konsumation, Bespaßung oder Unterhaltung hin zu echten, manchmal sperrigen, fordernden Inhalten, die letztendlich aber dort ansetzen, wo die billigen Lacher enden: bei der Lebens- und Arbeitsrealität von Kulturarbeiter*innen und Künstler*innen, die in Allianz mit dem Publikum einem zunehmend neoliberal, kapitalistisch geprägten und von falscher Identität heuchelnden Kulturverständnis etwas entgegenzusetzen haben und deren Arbeit entsprechend gewürdigt und entlohnt werden muss.
Soweit, so wunderbar. Dass es diese Menschen quer durch die unterschiedlichen Orgas, Vereine und Parteigremien gab, die das erkannten und gemeinsam mit der gfk und mir daran arbeiten wollten, überwog letztlich alle egozentrischen Wichtigtuer, die ohnehin immer alles besser wissen, die mir aus allen anderen Strukturen, in denen ich bislang beruflich tätig war – immerhin 14 Jahre ORF, da lernt man das ganz gut und viel zu nahe kennen – vertraut waren, insofern nichts Neues und nichts, was ich als unüberwindbar angesehen hätte.
Das, was sich aktuell aber abspielt innerhalb dieser Partei, die mir wichtig ist, ohne die ich mir ein Österreich nicht vorstellen kann, ist auch aus dieser Position der „umarmenden Distanz“ nicht mehr erträglich. Da haben Männer keine Scheu, gleichermaßen unbekümmert wie überzeugend misogyn und besserwisserisch in Mikros zu plappern oder noch am Abend der Wahl gute Ratschläge auszurichten – alles ungeachtet der eigenen Versäumnisse und Verluste versteht sich, was soll ein Mann auch reflektieren, wenn er eine Frau maßregeln kann. Da werden lieber personelle Schnellschüsse getätigt, bevor mit allen – zu Recht – kritischen Stimmen nachgedacht wird. Da wird – so hat eine das Gefühl – eher und lieber weitergewurschtelt, als dass sich die Partei zurückzieht und ernsthaft und ehrlich über das eigene Narrativ und damit verbunden die eigene Historie und vor allem die eigene Klientel und Gegenwart nachgedacht wird. Da wird lieber auf vorhergehende Parteivorsitzende hingehauen anstatt darüber nachzudenken, was von deren Leistung und Versuchen, die Partei ernsthaft und zeitgemäß umzugestalten anerkannt und mitgenommen werden könnte.
Zudecken, nicht drüber reden, Köpfe austauschen, wenn die nicht mehr genehm oder verwertbar scheinen – das scheint ein Prinzip zu sein, das sich in vielen Organisationen und Vereinen in dieser Partei durchsetzt, vorangetrieben von alten und neuen, zumeist patriarchalen Funktionären, die mehr ihr eigenes „Gewicht“, also „Wichtigkeit“ im Sinn haben als die Idee, die die sozialdemokratische Partei vereinen und vorantreiben könnte. Ein Prinzip, das sich bis in den kleinsten und unwichtigsten Organisationseinheiten und Vereinen festgesetzt hat. Auf meine Arbeit, auf mein Engagement hat dies alles keinen Einfluss, einerseits weil ich noch nie Angst oder Lustlosigkeit verspürt habe, wenn es um etwas geht, das ich für wirklich wichtig erachtet habe, andererseits weil ich weiss, dass es eben die zu Beginn angesprochenen großartigen Verbündeten und Mitstreiter*innen gibt, die ebenso wenig daran denken, aufzugeben. Dass wir es nicht geschafft haben, einen Termin mit dem Bundesgeschäftsführer zu bekommen (doch, wir hatten zwei, die wurden allerdings beide kurzfristig abgesagt), um etwa unser Projekt „Kulturpolitik wagen!“ in Oberösterreich vorzustellen, ist mittlerweile auch vergessen, nicht zuletzt aus dem einfachen Grund, dass der Betroffene nicht mehr Bundesgeschäftsführer ist. Ob es gelingt, Ideen und Vorschläge aus den bescheiden aber leidenschaftlich arbeitenden Organisationen und Vereinen aus den Bundesländern an die künftige Bundespartei heranzutragen, bleibt natürlich dennoch ungewiss. Das ist schade, denn ich denke, dass sie, dass wir viel beizutragen hätten. Ob als Gast- oder einfache Mitglieder, ob als Geschäftsführer*innen diverser Vereine im Umfeld der SPÖ, ob als Mitarbeiter*innen der einzelnen Landesorganisationen – wer als Partei nicht auf diese engagierten, klugen Menschen hört, tut sich selbst nichts Gutes. Es sind nicht jene, die sich unüberlegt, laut und ungefragt via Medien zu Wort melden, es sind jene, die aus ihrer langjährigen Arbeit ausgereifte Ideen, erprobte Projekte und Kooperationen anzubieten hätten, sehr oft aber viel zu leise sind oder bewusst überhört werden. Es sind jene, die in Verbindung mit den in den Bundesländern lebenden und arbeitenden Menschen stehen, die aus unterschiedlichen Arbeitszusammenhängen berichten können, die zu einer gemeinsamen Erzählung, zu einem glaubwürdigen, echten „Miteinander“ beitragen können. Ohne diese Erfahrungen, ohne diese Expertisen, ohne diese Menschen, die sich die sprichwörtlichen Hacken für die Partei abrennen – jedesmal und oft jedesmal unbedankt – wird es die Sozialdemokratie nicht schaffen, Österreich und seinen Menschen zu jener positiven, fortschrittlichen und gleichberechtigenden Erzählung zu verhelfen, die wir Österreicher*innen so dringend bräuchten.
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